Die Kunst des Drahtziehens wird geschützt

 

Altena und besonders die Nette wird als „die Wiege des Drahtziehens“ bezeichnet.

Schon um das Jahr 800 förderten unsere Vorfahren aus den heimischen Bergen das Eisenerz, das in Rennöfen verhüttet, geschmiedet und zu sog. Osemund einem besonders für den Drahtzug geeigneten Eisen – verarbeitet wurde.
 
Die Drahtherstellung – bislang nur durch reine Körperkraft bewerkstelligt – wurde im 13./14. Jht. revolutioniert, als man sich in Altena und etwa zeitgleich in Nürnberg die Nutzung der Wasserkraft für das Ziehen des Drahtes zunutze machte.
Die Drahtziehereien wurden in Anspielung auf die Wasserräder als
Drahtmühlenoder einfach alsRollenbezeichnet.
 
Das Verfahren der Drahtherstellung hat sich über lange Zeit bis ins frühe 20. Jht. hinein kaum verändert.
Das Ausgangsmaterial wurde auf Osemundhämmern zu Stangen geschmiedet, die dann angespitzt und kalt durch ein Zieheisen, das Hol, gezogen wurden. Durch mehrere Ziehgänge konnte der Draht immer feiner gezogen werden.
Das Drahthandwerk war die einzige Einnahmequelle der Altenaer, da Ackerbau und Viehzucht auf den kargen und felsigen Böden unserer Heimat zum Scheitern verurteilt waren.
An diesem Handwerk hing nicht nur der Broterwerb der Besitzer der Drahtrollen (Reidemeister) und der Drahtzieher (Zöger), sondern auch der Drahtschmiede (Vorschläger), Zieheisenmacher (Holmacher), Zangenschmiede, Glühkesselschläger und andere Handwerker, Fuhrleute, Kaufleute, Wirte, Brauer und Fuselbrenner.
 
Um nun das Einkommen aus dem Drahthandwerk zu sichern und jegliche Konkurrenz in der Nachbarschaft und im Ausland auszuschließen, mußten die technische Anlage der Drahtrollen, die Rezeptur und Behandlung zur Weiterverarbeitung des Drahtes sowie die Herstellung des Zieheisens als ein Geheimnis gehütet werden.
 
Auf die Qualität des altenaer Drahtes wurde allzeit besonderer Wert gelegt, und Personen, die den Draht schlecht redeten, mußten mit Verfolgung und Bestrafung rechnen. Für die Qualitätsprüfung wurden amtliche Besichtiger, sog.
Klovemeistereingesetzt.
Die jeweiligen Landesherren, die Grafen von der Mark, die Herzöge von Kleve, die Kurfürsten von Brandenburg und die Könige von Preußen, unterstützten die Altenaer stets in ihrem Bestreben, die Konkurrenz so gering wie möglich zu halten.
 
Schutzmaßnahmen sollten verhindern, daß Fremde das Drahtziehen erlernten.
Altenaer Drahtzieher durften ohne Einverständnis des Bürgermeisters und Rates nicht nach auswärts ziehen, um dort das Drahthandwerk zu betreiben. Wer dagegen verstieß, mußte mit empfindlichen Strafen rechnen.
1534 wurde die Zulassung zum Bürgerrecht geregelt. Ein Zugezogener, der das Drahthandwerk treiben wollte, mußte vorher ein Einzugsgeld zahlen, und erst nach einer einjährigen Probezeit erhielt er das Bürgerrecht. Zugezogenen Eheleute und deren Kinder wurden garnicht zum Drahthandwerk zugelassen.
Wer in die Geheimnisse des Drahtziehens eingeweiht werden wollte, mußte einen Bürgereid ablegen.
Der Eid um 1650 lautete:

 

Ich -N.N.- gelobe und schwöre zu Gott und seinem heiligen Evangelium, daß ich will meinem gnädigsten Kurfürsten und Herrn und hiesiger Freiheit Altena treu und hold sein, der Herren Bürgermeister und Rats Gebot und Verbot gehorsamlich sein und das Drahthandwerk in Ehren halten, dasselbe, es sei ziehen, winnen oder schmieden, nirgends gebrauchen als zu Altena, auch niemanden lehren oder davon einige Anweisungen tuen, er sei denn dazu berechtigt oder ein Bürgerskind, auch ohne Einwilligung oder Vorwissen des Bürgermeisters und Rats zu Altena an keinen anderen Ort mich begeben, das Drahthandwerk zu gebrauchen. So wahr mir Gott hilft und sein hl. Evangelium.

 

Was geschah, wenn ein Drahtzieher diesen Eid brach, erzählt ein Vorgang aus dem Jahre 1726.

Traurige Berühmtheit erhielt der altenaer Drahtzieher Bomnüter, der von dem Geheimrat von Dücker zu Rödinghausen ins kurkölnische Herzogtum Westfalen also ins benachbarte Ausland – geholt wurde, um auf der Hönne eine Drahtrolle anzulegen und zu betreiben.
Ein Bericht des Generaldirektoriums zu Berlin vom 16. November 1726 an den König Friedrich Wilhelm I. wies auf die Situation der Altenaer hin und unterrichtete den König, daß der
kurkölnische Geheimrat von Dücker aber, welcher wegen seines im Soestischen gelegenen Lehngutes Bollenkamp ein Vasall Eurer Königlichen Majestät ist, im benachbarten kurkölnischen Lande Stahl- und Eisendrahtfabriken anlegen wollte und hat „sogar einen vereideten Drahtzieher aus dem Märkischen namens Bomnüter des Nachts mit seinem Wagen und Pferden mit Sack und Pack abholen und selbigen auf seine neue Drahtrolle bringen lassen“. Die  Klevische Kriegs- und Domänenkammer forderte – erfolglos – die Auslieferung des Bomnüter. Daraufhin ist der Kriegs- und Domänenkammer „aufgegeben worden, die Dückersche Rolle niederzureißen und sich des Märkischen Drahtziehers mit guter Manier zu bemächtigen, welches auch in soweit zum Effekt gebracht worden ist, daß die Drahtrolle demoliert, der Drahtzieher aber von einigen märkischen Bauern auf dem kölnischen Gebiete ausgehoben und nach Altena gebracht worden ist.“
 
Erzählt wird, daß der Magistrat von Altena die Rückholung des Bomnüter dem Drosten von Pungelscheid  übertrug, der sämtliche Reidemeister, Schmiede und Zöger der ganzen Gegend verpflichtete, sich an der Aktion zu beteiligen, dazu einige Metzger als Wegweiser.
 
Während der Verhandlungen zwischen dem Preußischen König Friedrich Wilhelm und dem Kölnischen Kurfürsten Clemens August zur Wahrung des Landfriedens, der aufgrund dieser Angelegenheit ernsthaft gefährdet war, wurde der verhaftete Bomnüter auf der Burg Altena in Haft gehalten. Dort verschlimmerte sich sein bereits schon schlechter Gesundheitszustand, so daß er nicht mehr vernehmungsfähig war und am 21. Juni 1727 verstarb.
 
Der Haß der Altenaer gegen ihren meineidigen Mitbürger war so groß, daß nach der Überlieferung dem Toten das kirchliche Begräbnis verweigert und der Leichnam bei Nacht und Nebel in der Nähe der Kluse eingescharrt worden ist.

 

 

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